Freitag, 26. September 2008

Im Vorübergehen / En passant / Passing by - Edward Weston



Edward Weston schreibt an Ansel Adams:
"Fotografie muss Extrasehen sein; bloßes Sehen würde die Wiederholung von Tatsachen bedeuten - der Illustrator von Katalogen macht das.
Aber Fotografie ist durchaus nicht Sehen in dem Sinne, dass die Augen sehen.

Unser Gesichtssinn, das Sehen mit beiden Augen, befindet sich in einem ununterbrochenen Zustand der Veränderung, während die Kamera einen einzigen isolierten Augenblickszustand für immer und ewig (wenn die verdammten Abzüge nicht verblassen!) einfängt und festhält.

Wir benutzen dazu noch Linsen mit verschiedenen Brennweiten, um das Sehen absichtlich hervorzuheben und "korrigieren" oftmals aus demselben Grund die Tönungen übertrieben. Beim Kopieren treiben wir unsere vorsätzliche Tatsachenverdrehung noch weiter, indem wir kontrastreiches Papier benutzen, das ganz unterschiedliche Resultate von der Ansicht oder dem Gegenstand, wie er in natura war, ergibt.

Wir müssen uns einig werden, dass dies ein ganz legitimes Vorgehen ist; es ist nicht im buchstäblichen Sinne "Sehen", es geschieht aus gutem Grund, mit schöpferischer Fantasie."
EDWARD WESTON, 1908-1958


Edward Weston berührt in diesem kleinen Briefauszug zwei wichtige Aspekte der Fotografie: den des "natürlichen" menschlichen Sehens und den der kreativen Interpretation des Gesehenen.

Weston gehört - wie Adams - zu den Vertretern der "pure photography", auch "straight photography", die in Europa ihre Entsprechung in der "Neuen Sachlichkeit" fand.

Trotzdem - oder eben deshalb? - unterscheidet er deutlich zwischen "Sehen" und "Wiedergeben".

Interpretation, schöpferische Fantasie steht für ihn offensichtlich in keinem Wiederspruch zur "straight photography", die vielleicht wegen des Wortes "straight" oder "pure" oft missverstanden wird als eine Richtung in der Fotografie, die verlangt, das Bild unverändert so zu belassen, wie es aus der Kamera kommt.

Wer an Edward Weston denkt, denkt vielleicht an seine "nudes", an die Landschaften von Point Lobos, aber auch an Muscheln, Seetang - und Paprika.

Aber an ein WC?


Edward Weston, Excusado, 1925
"Ich fotografiere gerade unsere Toilette, dieses glänzende, porzellanene Gefäß von außerordentlicher Schönheit.
Man mag meinen, dass ich in einer zynischen Stimmung bin, wenn ich ein solches Sujet wähle, […].
Ich war aufs äußerste erregt! - hier stand jede Kurve der "göttlichen Form des Menschen" sinnlich vor mir, abzüglich aller Fehler. […]
Es bleibt ein Problem. […] Der hölzerne Deckel erscheint am oberen Rand gerade noch, […]
Auf eine so einfache Abhilfe wie den Deckel abzuschrauben kam ich nicht.
Als Entschuldigung kann ich nur anführen, dass ich alle diese [4] Negative unter gr0ßem Zeitdruck gemacht habe, jeden Moment fürchtend, jemand könne einem natürlichen Bedürfnis folgend die Toilette zu anderen Zwecken als den meinen benutzen."
EDWARD WESTON, Tagebucheintragungen 1924-1932



nicht verpassen!

Edward Weston auf ARTE: Sonntag, 28. September, 20:15 bis 20:45



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1 Kommentar:

  1. ... und, wer hat und kann, diesen:
    ARD . Digital, So, 28.09.2008, 18:30, TV-Beitrag: Magnum Photos - Ein Mythos verändert sich: 50 Jahre Magnum

    schoenes wochenende!
    detlev

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